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Multiple Herausforderungen für mittlere Führungskräfte

Verantwortlicher Autor: Prof. Dr. Richard Streich Paderborn, 04.12.2024, 16:51 Uhr
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Multiple Herausforderungen für mittlere Führungskräfte
Multiple Herausforderungen für mittlere Führungskräfte  Bild: pixabay.de

Paderborn [ENA] Die Herausforderungen an eine mittlere Führungskraft sind vielfältig. So muss sie z.B. Schnelligkeit und Flexibilität in der Umsetzung von Zielen beweisen, Ressourcen effizient und effektiv einsetzen und sozial akzeptiert führen (vgl. Penning/Forsa-Studie, 2017, S. 12).

In der heutigen Unternehmenswirklichkeit sind zudem permanente Prozessveränderungen obligatorisch. Folgewirkungen sind, dass mittlere Leitungskräfte, neben den Aufgaben in ihrer Funktion in der Linie, auch vielfältige Change-Prozesse mitverantworten müssen und somit im Rahmen von zeitlich befristeten Projekten als „Transmissionsriemen“ zwischen strategischen Anforderungen und operativen Erfordernissen agieren müssen (vgl. Schaff/Behrendonck, 2018, S. 68ff).

Studien zeigen, dass diese „Sandwich-Position“ problematisch ist. So geben z.B. 44% der mittleren Führungskräfte im „Führungsbarometer 2017“ an, dass sie sich sehr belastet oder überbelastet fühlen durch die Gleichzeitigkeit von Tagesgeschäft und Projektarbeit. Dieses subjektive Empfinden erfolgt vielfach aufgrund einer nicht mehr zeitgemäßen Rollendefinition für dieses Führungsklientel (vgl. Penning/Forsa-Studie, 2017, S. 12). Die mittlere Leitungskraft nimmt im Rahmen von strategischen, strukturellen und kulturellen Unternehmensprozessen unterschiedliche Rollen wahr (vgl. Schaff/Behrendonck, 2018, S. 69f).

So agiert er u.a.: als Führungskraft für seinen Verantwortungsbereich; als Mitarbeiter innerhalb der Führungshierarchie; als Vermittler zwischen vertikaler Führung und horizontaler Zusammenarbeit; als Monitor im Sinne eines Schnittstellen-Managers zwischen eigener Abteilung und dem Top-Management; als Gatekeeper mit dem Fokus der Weitergabe von Ergebnissen von Monitoring-Prozessen an das Top-Management; als Katalysator, in dem er bei Veränderungen als Impulsgeber und Konfliktlöser agiert; als Troubleshooter, der für einen reibungslosen Ablauf Verantwortung trägt und Störungen effizient, schnell und effektiv behebt und als Ressourcenhalter, in dem er über die Ressourcen seines Verantwortungsbereichs verfügt.

Die Vielfalt der aufgezeigten Rollen beinhaltet ein dementsprechend großes Konfliktpotenzial im Unternehmensalltag. Die mittlere Führungsebene wird im Rahmen von unternehmerischen Change-Prozessen oftmals unreflektiert als „Lehm- oder Lähmschicht“ bezeichnet, ohne zu bedenken, dass das Agieren in der Knautschzone zwischen der Unternehmensspitze und der Mitarbeiterschaft in sehr hohem qualitativen und quantitativen Umfang Informations-, Kommunikations- und Transformationskompetenzen verlangt (vgl. Stahl, 2005; Dämon, 2018).

Dem Leistungsträger „Mittlere Führungskraft“ widmet sich insbesondere die Dr. Jürgen Meyer Stiftung durch die Erhebung und Veröffentlichung diverser Studien (vgl. Prognos AG, 2011; Fifka/Kraus, 2013; Fifka/Becker, 2019). Im Rahmen der zuletzt durchgeführten Studie wurden 306 Managerinnen und Manager auf der mittleren Führungsebene aus deutschen Unternehmen aller Größen und Branchen zu ihren Funktionen, Aufgaben sowie den Herausforderungen, mit denen sie sich konfrontiert sehen und möglichen Lösungsansätzen, befragt. Einige Zahlen, Daten und Fakten hierzu (vgl. Fifka/Becker, 2019, S.6ff).

Als für sich bedeutsam sehen diese Manager die Personalführung, die Informationsvermittlung und Strategieumsetzung im Rahmen ihrer Tätigkeit an. Arbeiten zur Strategievorbereitung und -entwicklung beurteilen sie als weniger relevant. Männer sehen sich dabei häufiger in der Rolle von Strategen als Frauen. Als größte Herausforderung definieren sie für sich die Umsetzung von Vorgaben der Unternehmensleitung gegen die Interessen ihrer Mitarbeiter. 59% der Befragten gaben an, diese Situation in der Knautschzone sei eine große oder sehr große Herausforderung.

60% der mittleren Leitungskräfte sehen sich in der Rolle als „Vorgesetzter“. Frauen akzeptieren die Mitarbeiterrolle wesentlich stärker als Männer (48% zu 38%). Rund 50% empfinden einen starken oder sogar sehr starken Druck durch das Top-Management und fühlen sich von diesem oftmals zum „Sündenbock“ für die Verfehlungen an der Unternehmensspitze gemacht. 65% wünschen sich – um den Balanceakt zwischen der Führungskraft- und Mitarbeiterrolle, die sie gleichzeitig innehaben – erweiterte Handlungsspielräume, um diesen Zwiespalt besser meistern zu können.

Jeder Sechste stuft seine Arbeitsbelastung als hoch oder sehr hoch ein. Hauptgründe dafür werden in der zunehmenden Komplexität und Vielfalt der Aufgaben sowie in einer zu geringen Personalausstattung gesehen. Im Unterschied zur Zusammenarbeit mit dem Top-Management und den Mitarbeitern empfinden nur 19% der Befragten die Zusammenarbeit mit Arbeitnehmervertretern als belastend oder sogar stark belastend.

Lediglich vier von zehn halten ihr Gehalt für angemessen. Hierbei gibt es keinen geschlechtsspezifischen Unterschied. 59% finden den Abstand zum Gehalt des Top-Managements für zu groß. 61% tendieren zu einer besseren Ausgestaltung von Belohnungs- und Anreizsystemen. Die Machtpolitik unter Kollegen wird von jedem vierten Befragten beklagt. Sorge um den Arbeitsplatz macht sich hingegen nur jeder zehnte der mittleren Führungskräfte.

Die Hälfte aller Mittel-Manager musste bei der Umsetzung von Vorgaben schon einmal gegen persönliche Wertvorstellungen handeln, hauptsächlich was den Umgang mit eigenen Mitarbeitern betrifft. 14% der Befragten sahen sich sogar gezwungen, bei der Umsetzung gegen gesetzliche Vorgaben zu verstoßen. Dass das Top-Management in ihrem Unternehmen seiner moralischen Vorbildrolle gerecht wird, glauben nur 38%.

Nahezu sieben von zehn mittleren Führungskräften befürworten eine stärkere Einbindung in die strategischen Entscheidungsprozesse. Besonders die Führungskräfte aus der mittleren Ebene in großen Unternehmen wünschen sich einen institutionalisierten Dialog mit dem Top-Management. Die hier zitierten Untersuchungsergebnisse zeigen unter Einbezug vorheriger Studien (vgl. Prognos AG, 2011; Fifka/Kraus, 2013; Penning/Forsa-Studie, 2017), dass sich die Probleme auf der mittleren Managementebene in den letzten Jahren kaum verändert haben.

Führungskräfte in dieser Hierarchieebene sehen sich aufgrund ihrer Rollenvielfalt und den unterschiedlichen Anforderungen und Erwartungen gefangen, schlecht auf ihre Tätigkeiten vorbereitet und vielfältigen Interessen und Interessensgegensätzen ausgesetzt. Bei der Auswahl, Entwicklung und Beurteilung mittlerer Führungskräfte sollten sowohl ihre spezifischen Aufgaben-, Verantwortungs- und Kompetenzbereiche als auch ihre Persönlichkeitsmerkmale berücksichtigt werden.

Es ist im Unternehmensinteresse wichtig, dass neben dem Top-Management auch die mittleren Führungskräfte stärker individuell betreut werden, mit einer konsequenten und kontinuierlichen Vorbereitung auf eine solche Position bzw. Stabilisierung in dieser Funktion. Dies ist besonders wichtig für Führungskräfte, die nicht über die mittlere Führungsebene hinaus entwickelt werden wollen oder können. Die mittlere Führungskraft ist, um kontinuierlich unternehmerische Erfolge zu erreichen, von zentraler Bedeutung, da in dieser Ebene entscheidende Prozesse der Strategieumsetzung und -kontrolle verantwortet werden (vgl. Fifka/Becker, 2019).

Literaturverzeichnis: Dämon: Schnarchnasen im mittleren Management, in: wiwo.de, 11.9.2018; Fifka/Kraus: Das mittlere Management – Rollenkonflikt, Leistungsdruck und Moral, Dr. J. Meyer Stiftung, 2013; Fifka/Becker: Das mittlere Management – Noch immer Gefangen im Sandwich, Dr. J. Meyer Stiftung, 2019; Penning-Consulting/Forsa-Studie: Führungsbarometer 2017, Teil 1: Die Rolle des mittleren Managements, 29.11.2017; Prognos AG: Das mittlere Management – Die unsichtbaren Leistungsträger, Dr. J. Meyer Stiftung, 2011; Schaff/Behrendonck.: In der Sandwichposition: Druck von allen Seiten, in: Personalwirtschaft, 4/2018, S. 68-70; Stahl: Mittleres Management – Ein Nadelöhr für Veränderungsprozesse, in: Lernende Organisation, 2005, 28/6, S. 16–25.

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