Sonntag, 16.06.2024 14:42 Uhr

Ein Lehrer in Saudi - Teil 10

Verantwortlicher Autor: Theo Goumas Ar'ar, 23.05.2024, 12:40 Uhr
Nachricht/Bericht: +++ Reise & Tourismus +++ Bericht 3070x gelesen

Ar'ar [ENA] Ein Lehrer beschließt, das von der Wirtschaftskrise gebeutelte Europa für eine Zeitlang den Rücken zu kehren und sein Glück in Saudi-Arabien zu suchen. Er bewirbt sich als Englischlehrer und nach vielen Absagen, kommt doch noch eine Zusage, allerdings mit Vitamin B. Das ist der Beginn einer wunderbaren Reise in ein verschlossenes Land, das kaum jemand kennt. Eine wahre Geschichte in Teilen erzählt. Teil 10 der Saga.

Noch ein Tag mit Büroarbeit steht mir bevor. Wieder den ganzen Tag Excel-Tabellen füttern. Hört sich zwar langweilig an, ist es aber nicht. Ich höre den ganzen Tag Musik, Leute kommen und gehen, ich kann meine Pausen machen, etc. In einer Pause nehme ich meinen Tee und gehe im Gelände des Polytechnikums spazieren. Dabei werde ich von vielen Studenten angeredet und fotografiert. Mal alleine, mal mit denen zusammen und immer in verschiedenen Posen. Die Bilder werden sofort auf Instagram hochgeladen und machen so die Runde.

Mein ägyptischer Kollege ruft beim Flughafen in Ha’il an um nach meinem Gepäck zu fragen, aber es geht keiner ran. So beschließen wir nach dem Mittagessen zum Flughafen in Ar’ar zu fahren um beim Pakistaner anzuklopfen. Gesagt, getan. In ein paar Minuten kommen wir da an und müssen feststellen, dass er zu ist. Wir gucken uns an und wundern uns, dass ein Flughafen zugesperrt wird. Der Sicherheitsbeamte vor Ort erzählt uns, dass der Flughafen nur auf hat, wenn Flugzeuge landen oder starten, ansonsten ist hier alles dicht. Bloß, die Öffnungszeiten erzählt er uns nicht. So schauen wir im Internet nach wann es Flüge gibt und rechnen uns die Zeiten aus. Am Nachmittag und Abend gibt es Flugbewegungen, da probieren wir es wieder.

Die Fahrt mit dem klapprigen Bus nach Hause ist wieder ein Genuss. Die Sonne knallt, die Kollegen sind ruhig, einer schläft sogar. Als es Betenszeit ist, meldet sich das Handy des Ägypters. Es gibt Apps fürs Handy, die die Betenszeiten anzeigen. Da sich die Betenszeiten von Tag zu Tag ändern, weil die Tage entweder länger oder kürzer werden, geht die App mit der Zeit und meldet sich immer zur korrekten Zeit. Wenn man den Ort wechselt, kann man die App auf den neuen Ort einstellen, falls sie sich nicht automatisch einstellt. Jeder Ort hat andere Betenszeiten. Das kommt davon, dass es nicht überall gleichzeitig hell wird.

Viele dieser Anwendungen haben auch einen integrierten Kompass, damit der Gläubige weiß in welche Richtung Mekka liegt. Außerdem bekommt man einen Überblick über sämtliche Betenszeiten des Tages und weiß somit wann die Geschäfte auf- und zumachen. Während der Betenszeit hört man einem Imam zu. Man kann sich die Moschee auswählen. Der Kollege hat Mekka eingestellt. So erklingt bei jeder Betenszeit die Stimme eines Imams aus Mekka. Die Fahrt an sich hat für mich etwas exotisches, dazu kommt der Gesang des Imams und lässt mich in andere Welten entschweben. Es ist wie im Märchen, wie in einem Film. Und als wir über eine staubige Straße holpern ist das Märchen von 1001 Nacht perfekt.

Am Nachmittag muss ich mit einem der pakistanischen Kollegen zum Polytechnikum. Der Chef von Ma’aden soll kommen und es steigt eine Feier. Das Management wird da sein, einige Studenten auch, die University of Missouri-Truppe, der pakistanische Kollege und ich. Mohammed unser Fahrer kommt um uns zwei abzuholen. Weil wir nur so wenige sind, nehmen wir nicht den Bus, stattdessen fahren wir in seinem Privatauto. Ein 6-Liter GMC-SUV. Das Ding ist so groß wie eine Wohnung. Es bietet massig Platz und man braucht eine Leiter um einzusteigen. Drinnen fühlt man sich wirklich wohl. Die Ledersitze sind äußerst bequem, man genießt eine Beinfreiheit wie in der Businessklasse eines Flugzeugs und die Federung ist allererste Sahne.

Kaum sind wir losgefahren, öffnet Mohammed das Handschuhfach und deutet auf ein breites Angebot an Parfüms. Dann öffnet er das Fach der Mittelkonsole und bietet uns noch mehr Parfüm an. Die Araber und speziell die Saudis, das weiß ich von meinem arabischen Nachbarn zuhause, stehen total auf Parfüm. Die Saudis gelten als Meister des Parfüms, sagt ein ägyptischer Freund. Mohammed nimmt verschiedene Flaschen und sprüht uns voll. Auf einmal duftet das ganze Auto und ich komme mir vor wie in einem Parfümladen.

Als wir ankommen, gehen wir zum Hauptgebäude wo ein paar der Manager warten. Dann werden wir alle in einer Reihe aufgestellt. Zuerst die Leute vom Management, dann die Missouri-Truppe, dann der Kollege und ich und danach ein paar Studenten. Wenige Minuten später kommt ein Auto durch die Einfahrt, fährt um den Springbrunnen herum, hält an und ein paar Leute steigen aus. Es werden Hände geschüttelt und man stellt sich vor. Als die Entourage beim Pakistaner und mir ankommt, bleibt sie etwas länger stehen, inhalieren die ganzen Düfte und lächeln uns besonders freundlich zu. Das gleiche passiert noch einige Male, denn es kommen noch mehr Autos aus denen Leute aussteigen und denen wir uns vorstellen und deren Hände wir schütteln.

All diese Leute werden vom Management durchs Gelände geführt ehe es in die große Aula geht. Dort sitzen ganz vorne die Missouri-Truppe, einige vom Management, wir zwei und hinter uns gut hundert Studenten. Dann folgen einige sehr emotionale Reden. Irgendwann wird es mir schwindelig von der Atmosphäre da drin und von den ganzen Düften, meine Augen werden rot, meine Kontaktlinsen fangen an zu schmerzen und ich kann mich gar nicht auf den Sitz halten. Ich bete darum, dass das ganze bald ein Ende nimmt und wir nach draußen entlassen werden. Tut es aber nicht. Einer nach dem anderen nimmt das Mikro in die Hand und hält einen quälend langen Monolog.

Ich nehme ein Fläschchen Tränenflüssigkeit aus meiner Tasche und kippe mir das Zeug massenweise in die Augen. Es hilft immer nur für ein paar Minuten. Als der letzte der Runde seine Rede zu Ende bringt, denke ich mir ‚Hallelujah’ und will aufstehen und gehen. Denkste! Dann werden die Kameras gezückt und die Leute von Ma’aden fotografieren sich mit den Studenten, denn wie sie vorher gesagt haben, die Studenten sind die Zukunft des Unternehmens. Mein Eindruck ist, hier wird Ma’aden ein Bär aufgebunden. Ich dachte, nur die Griechen sind Meister im Inszenieren und Märchenverkaufen. Oh wie ich mich getäuscht habe! Die Araber sind auch Meister in dieser Disziplin!

Als es endlich vorbei ist, stürze ich raus in die kühle Luft und versuche wieder zu mir zu kommen. Einige Studenten sind besorgt und folgen mir. Nach ein paar Minuten geht’s mir wieder gut. Danach gehen wir in die Cafeteria zum Essen. Heute ist sie besonders geschmückt und festlich und das Essen schmeckt auch besser. Mit dem 6-Liter GMC-SUV geht es wieder nach Hause. Mein Kollege Samir berichtet, dass er mit jemanden in Ha’il gesprochen hat, der ihm versichert hat, dass meine Reisetasche in der Früh um 6 in Ar’ar sein wird. Wirklich? Wie kann das sein? Der erste Flieger landet um 7:30 Uhr.

Samir, der ägyptische Kollege meint, er hätte dies dem Beamten gesagt, aber der Beamte blieb bei seiner Behauptung, dass mein Gepäck in der Früh um 6 da sein würde. Da ich es irgendwie nicht glauben mag, frage ich dem Kollegen, ob er Lust hat in der Früh mit mir nach Ha’il zu fahren um die Reisetasche abzuholen. Danach gehe ich mich duschen um den ganzen Parfümgeruch loszuwerden und falle todmüde und mit den Eindrücken des Tages ins Bett.

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