Sonntag, 16.06.2024 11:52 Uhr

Deutscher Stiftungstag 2024

Verantwortlicher Autor: Kurt Lehberger Hannover, 20.05.2024, 14:55 Uhr
Fachartikel: +++ Kunst, Kultur und Musik +++ Bericht 4689x gelesen
Deutscher Stiftungstag 2024 - Schauspiel als Impuls
Deutscher Stiftungstag 2024 - Schauspiel als Impuls  Bild: Kurt Lehberger

Hannover [ENA] Der Deutsche Stiftungstag 2024 fand dieses Jahr in Hannover statt. Am 14.-15. Mai besuchten 1.500 Teilnehmer*innen den zweitägigen Kongress. In 75 Veranstaltungen, Impulsvorträgen und Podiumsdiskussionen informierten sie sich über aktuelle Themen und brachten sich in offenen Diskussionsrunden ein.

Der Kongress stand unter dem Motto: „Mittendrin: Wie Stiftungen Transformation gestalten“. Annette Heuser, Vorstandsvorsitzende des Bundesverband Deutscher Stiftungen, weist auf die Bedeutung der Stiftungen hin. Pro Jahr werden 4,5 Mrd. Euro für Projekte in Bildung, Kunst, Kultur, Wissenschaft u.a. von den Stiftungen ausgegeben. Trotzdem sind die PISA-Ergebnisse nicht besser geworden. Woran liegt das? Die Stiftungen sind wesentlicher Bestandteil der Zivilgesellschaft. Sie sind „mittendrin“ und haben ein gutes Gespür für gesellschaftliche Veränderungen. Sie sollen Netzwerke schaffen und neue Projekte initiieren, die nachhaltig wirken. Sie binden das Unterfutter der Gesellschaft.

Was auffällt, nur 10% der Stiftungen sind im Osten, in der ehemaligen DDR. Insgesamt haben wir 25 Tausend Stiftungen in Deutschland, davon sind nur 1.900 in der ehemaligen DDR. Es gibt noch keine Professur über die Stiftungsarbeit in Deutschland. Wir brauchen eine Stärkung des gesellschaftlichen Engagements in ganz Deutschland, auch in Europa und weltweit. Zur Eröffnung hielt Prof. Dr. Markus Gabriel die Keynote „Lebendige Zivilgesellschaft: Von der Transformation zur Metamorphose“. Er sieht uns am Ende der Geschichte. Wir bräuchten eine neue geteilte normative Orientierung, eine konkrete Ethik. Wir befänden uns in einer Hyperkomplexität, die die sozial-ökologische Transformation verlangt. Die Menschen seien Tiere.

Wir könnten uns den Bedrohungsszenarien wie Krieg, Klimawandel nur stellen, wenn wir Kooperieren und gemeinsam auf Grundlage einer konkreten Ethik die Anpassungen an die unausweichliche Transformation vornehmen. Wir sollen agieren im Sinne des gesellschaftlichen Zusammenhalts, auch in unsicheren Zeiten und angesichts von Ambiguitäten. Der Wille dazu ist notwendig. Die Lebendigkeit und das Wollen sind die treibende Kraft. Die konkrete Ethik sei übergeordnet. Der Philosoph leistet seinen Beitrag zu Fragen der Ethik, der Wirtschaftswissenschaftler in Bezug auf das Wissen über die Ökonomie – beide zusammen, in der Kooperation, können Positives bewegen. Wir brauchen eine lebendige Zivilgesellschaft.

Markus Gabriel schließt optimistisch mit dem Zitat von Rainer Maria Rilke „Hier sein ist herrlich“. Zur Eröffnung des Stiftungstages folgt ein moderiertes Gespräch des Niedersächsischen Ministerpräsidenten mit jungen Stiftungsvertreterinnen und -vertretern aus der Region. Stephan Weil, Niedersächsischer Ministerpräsident: Stiftungen sind ideale Partner der Gesellschaft. Die „Ausputzer-Funktion“ der Stiftungen sollte nicht sein. Jasmin Freimann engagiert sich seit 2022 im Netzwerk 30unter30 der Stiftungen. Sie hat sehr gute Erfahrungen über Projekte, Kooperationen und Netzwerke mit Stiftungen gemacht.

Stephan Weil erwähnt „Fridays for Future“. Es waren die Jugendlichen, die diese Bewegung in Niedersachen angestoßen haben. Die Jugendlichen erfahren Selbstwirksamkeit und sind engagiert. Abschließend meint Stephan Weil, dass ein punktuelles Engagement gut sei, aber ein kontinuierliches Engagement über die Parteien stattfindet. Sharon Wolf berichtet, dass sie im NaDu-Kinderhaus immer willkommen ist, unabhängig von Herkunft und Alter. Sie war schon mit acht Jahren bei NaDu und lernte dort z.B. im Kinderhaus vieles, was ihrer persönlichen Entwicklung zugutekam.

In der Veranstaltung „Transformation durch Kooperation“ wurde über die Entwicklungs-Chancen für Stiftungen durch ein kooperatives Miteinander diskutiert. Für Monika Schnetkamp, ARTHENA FOUNDATION, stehen Kooperation und Vernetzung von Stiftungen im Fokus. Sie berichtet von der world art foundation, in der 22 internationale Stiftungen kooperieren. In Oldenburg ist ein „Stiftungshaus“ im Aufbau. Hier werden Stiftungen eine Plattform für die Vernetzung und Kooperation gegeben. Isabel Pfeiffer-Poensgen, Carl Friedrich von Siemens Stiftung, betont, dass Stiftungen sehr verlässliche Netze darstellen und über eine schnelle Entscheidungsfähigkeit verfügen. Das sind deutliche Vorteile gegenüber staatlichen und privaten Organisationen.

Der Stifterwille ist heilig, daher ist dieser oft ein Hindernis für eine Kooperation. Die „Eitelkeiten“ sind hinderlich für eine Zusammenarbeit. Monika Schnetkamp weist darauf hin, dass professionelles Projektmanagement benötigt wird, um eine Kooperation zwischen unterschiedlichen Organisationen und unterschiedlichen Organisationskulturen zum Erfolg zu führen. Nicht über die Menschen vom Schreibtisch aus reden, sondern rausgehen ins Land und die Bedürfnisse herausfinden. Wir lernen von den anderen. Diese Erkenntnis bringt Dr. Johannes Janssen, Niedersächsische Sparkassenstiftung, ein. Ein weiterer Vortrag ist: „Bildungszukunft wagen! Bildungsstiftungen und Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger im Stuhlkreis“

Bettina Stark-Watzinger, Bundesministerin für Bildung und Forschung, nennt uns zwei Themenblöcke, die sie angehen möchte. Erstens: Chancengerechtigkeit. Neben anderen Studien hat nun auch die IFO-Studie herausgefunden, dass wir in Deutschland keine Chancengerechtigkeit haben. Nach wie vor sind die entscheidenden Faktoren für die Bildungschancen von Kindern in Deutschland die Bildung und das Einkommen der Eltern. Bettina Stark-Watzinger sagt, dass das Engagement der Stiftungen gebraucht wird, die Chancen der benachteiligten Kinder zu verbessern. Zweitens: die Digitale Transformation. Die Versorgung der Schulen mit IT-Infrastruktur kommt nur langsam voran. Die IT-Kompetenzen z.B. der Lehrerschaft ist nicht ausreichend.

Die Kinder kommen zu spät in die KITA, Sprachkompetenzen werden nicht erlernt, sie sind aber wesentlich für gute Bildungschancen. Es werden starke Partner gebraucht, das können auch Stiftungen sein, um dem Zielbild näher zu kommen. Sie zitiert Michael-Jordan "Talent gewinnt Spiele, aber Teamwork und Intelligenz gewinnt Meisterschaften." Ihr Vorschlag ist: wir bilden das „Team Bildung“, in dem weniger über Zuständigkeiten als über Lösungen diskutiert werde. Dazu Andrea Frank, Stifterverband, das Team soll aus Vertretern der Politik aus Bund, Ländern, Kommunen und aus Zivilgesellschaftlichen Organisationen z.B. Stiftungen zusammengesetzt werden und an evidenzbasierten Lösungen arbeiten.

Wir sollen wegkommen von den Leuchtturmprojekten und in die Breite kommen, sodass sich die Bildungssituation insgesamt verbessert. Bettina Stark-Watzinger möchte in dem „Team Bildung“ neue Zielbilder entwickeln und Projekte langfristig anlegen, damit sie auch nachhaltig wirken und eine Roadmap dazu anlegen. Sie meint, dass die KMK (Kulturministerkonferenz) effizienter arbeiten muss. Erste Schritte seien schon dazu eingeleitet. Das Problem ist auch ein Umsetzungsproblem. Eine weitere Veranstaltung ist „Doppelpass für Demokratie und Engagement: Impulse von Christian Lindner und Philipp Lahm“. Christian Lindner hat am Vorabend des Deutschen Stiftungstages abgesagt.

Phillipp Lahm spricht über die Europameisterschaft und die Chance mit ihr, gesellschaftlich wirksame Impulse zu setzen. „Diese Europameisterschaft bietet uns die Chance, gemeinsam ein Zeichen zu setzen für Toleranz, Respekt und Solidarität über alle Grenzen hinweg. Vielfalt ist eine Stärke. Zusammenhalt ist die Voraussetzung für den Erfolg. … Fairplay ist die Grundlage einer Gemeinschaft und man gewinnt nur im Team. Stiftungen leisten dazu einen enormen Beitrag.“ Phillipp Lahm gründete 2010 die Philipp-Lahm-Stiftung nach dem er 2007 im Rahmen der Weltmeisterschaft in Südafrika Townships in Swasiland (heute Eswatini) besucht hatte und den Förderungsbedarf der Kinder gesehen hat.

„Ich habe es zu meiner Aufgabe gemacht, benachteiligte Kinder und Jugendliche in den Bereichen Sport und Bildung zu fördern, in Deutschland sowie in Südafrika.“ Er gibt den Stiftungen einige Tipps: moderner werden, er hat z.B. das Spiel Darts im Sportverein eingeführt, um neue Mitglieder zu erreichen. Freude sollte mit der ehrenamtlichen Tätigkeit verbunden sein. Die Möglichkeit der Teilhabe und des Gestaltens sichern das Engagement. Vernetzung ist gut, wenn wir die gleichen Ziele haben. Kinder stellen Fragen, die die Erwachsenen nicht stellen. Die Begegnungen mit den Kindern haben Philipp Lahm geerdet, so drückt er seine Erfahrungen in seiner Stiftungsarbeit aus.

„Die Menschen können bei der EM ihr Engagement für die Demokratie zeigen. Wir sind in der Mehrheit. … Die Begeisterung zur EM kommt, wenn der Ball rollt. Wir alle sollen ein guter Gastgeber sein.“ so Philipp Lahm. In dem Impulsvortrag zum Thema “Transformation in Europa: Welche Rahmenbedingungen brauchen wir?“ spricht sich David McAllister, Mitglied des Europäischen Parlaments, klar und deutlich für Europa aus. „Europa darf nicht sterben. … zur EU-Wahl: „Nutze Deine Stimme, sonst entscheiden andere für Dich“. Die EU-Wahl am 9.6. sei eine Richtungswahl. Die Mitte werde die Verantwortung übernehmen. Eine funktionierende Demokratie lebe durch das Engagement der Bürger. David McAllister spricht in diesem Sinn seinen Dank an die Stiftungen aus.

Er geht auf drei Themen der EU näher ein. Erstens: Sicherheit. Europa bracht neben der Nato eigene Anstrengungen für die Verteidigung. Zweitens: Wohlstand. Bürokratieabbau und der Green Deal bis 2050 sind die Herausforderungen. Drittes: Zukunftsfähigkeit. Das Europa der 27 Staaten muss besser gemanagt werden. Die Integration von weiteren Kandidaten wie Ukraine, Georgien u.a. müssen gut vorbereitet werden. "Wer an Europa zweifelt, wer an Europa verzweifelt, sollte Soldatenfriedhöfe besuchen!" mit diesen Worten von Jean-Claude Juncker schließt David McAllister seinen Vortrag.

Johanna Benz zeichnete parallel zu den Diskussionen. Ihre Arbeit wurde live auf die Leinwand übertragen. Sie unterhielt uns zusätzlich durch ihre inspirierenden Zeichnungen. Der Artikel beinhaltet nur einen kleinen Teil der Kongressbeiträge. Ich habe eine Auswahl getroffen und nur die Beiträge berücksichtigt, bei denen ich anwesend war. Weitere prominente Gäste mit Vorträgen waren u.a. Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister a.D. | Vorstandsvorsitzender, Deutsche Telekom Stiftung in dem Vortrag: Demokratie braucht Begegnung: Was wir für den gesellschaftlichen Zusammenhalt leisten können und müssen.

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