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Bergbau Museum Tief im Westen

Verantwortlicher Autor: Stefan Siedler Bochum, 18.10.2020, 11:14 Uhr
Nachricht/Bericht: +++ Reise & Tourismus +++ Bericht 10621x gelesen
versteinerter Baumstumpf zu Beginn des Rundgangs
versteinerter Baumstumpf zu Beginn des Rundgangs  Bild: Stefan Siedler

Bochum [ENA] Einen hervorragend guten Ruf über Ruhrgrenzen hinaus genießt das so großartige Bergbau-Museum in Bochum. Oder genoss? Diesem Ruf folgend freut sich der Besucher auf einen erlebnisreichen Tag. Gemäß den COVID Auflagen ist eine online-Reservierung unabdingbar, wenn es um die Führung selbst geht.

Vorweg: immerhin bestehen Teile der Ausstellung aus Kunstwerken rund um das Thema des Museums. Hervorragende, ansehbare Kunst aus Porzellan, Streichhölzer und Malerei. Das war es dann aber schon. Ein Museum sollte es als Aufgabe empfinden seine Geschichte zu repräsentieren, für das es steht. Das Umfeld zu erzählen, besondere Kunstwerke der Öffentlichkeit preisgeben, die u.U. einen Meilenstein darstellen. Ferner Vorteile aufzuzeigen, die zu dem jetzt und hier geführt haben, aber auch dessen Nachteile darstellen, alle Verpflichtungen mitzuteilen, die daraus resultieren und vor allem dazu zu stehen! Und da hapert es schrecklich! Ein informierter Besucher sieht in der Ausstellung nichts anderes als eine billig gemachte Propaganda, so dass man

dieses Museum gerne in ein Museum selbst stecken möchte. Zum einen werden den Gesteinen einen kleinen Teil der Ausstellung gewidmet. Den erkennt man eher als Klassenzimmer, anstatt als Erklärungsraum für Besucher. Der Bereich "Seltene Erden" bleibt - beabsichtigt oder unbeabsichtigt - weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Andere Besucher gehen sogar mit dem Gefühl aus dem Raum, dass bewusst wichtige Informationen zurück gehalten werden ohne dabei Vorurteilen zu begegnen. Seltene Erden? Eher seltene Informationen über das potenzielle Gold des 21 Jhdt. "Eine" andere Vitrine beschäftigt sich dann doch mit der Zwangsarbeit in Kriegszeiten, na immerhin! Und im ausgewiesenen Rundgang wird dann eine mobiler Toiletteneimer als bahnbrechende

Eingangsbereich Bergbau-Museum
Eingangsbereich Bergbau-Museum
Eingangsbereich Bergbau-Museum

Gesundheitsmaßnahme dargestellt. Der Besucher kann das nicht riechen, daher muss das mit Schildern eindrucksvoll erklärt werden. Toll! Und darauf ist man wohl auch heute noch stolz. Dank des (heute endlich stillgelegten) Bergbaus laufen im Ruhrgebiet heute über hunderte Wasserpumpen, die in naher Zukunft auf 13 reduziert werden sollen. Stünden sie still, säuft das Ruhrgebiet schneller ab als die Niederlande. Kein Wort über dessen Leistungsaufnahme der Pumpen. Ja schon gar nicht, aus welcher Quelle der Strom hergestellt wurde, um dieser Dauerbelastung (Grundlast) zu frönen. Auch null Infos darüber, dass es mit einer neuen Seenlandschaft westlich von Westfalen gar nicht getan ist. Um die Maschinen unter Tage in der aktiven Zeit nicht

explosivgefährdend zu betreiben, fand in ihnen PCB-haltiges Hydrauliköl Verwendung. Und das liegt heute noch unter Tage. Schon vorgestellt, wenn der Gruben-Wasser-Spiegel steigt, das Hydrauliköl ausschwemmt und sich mit dem Trinkwasser aus höheren Ebenen vermischt? Das sind keine Probleme, die nach 1.000.000 Jahren ausgesessen sind. Denn während man nach dieser Zeit auf den Atommüll-Fässern wieder gefahrlos herum klettern darf, laufen diese Pumpen immer noch. So definiert man Ewigkeit. Antworten? Fehlanzeige! Blick in die Zukunft gefällig? Das könnte der 27.02.2052 sein. Dann da wechselt dann die 9 ziffrige Zähleruhr für das abgepumpte Grundwasser von 999.999.999 m³ auf 0? Sie wurde am 01.01.2019 in Betrieb genommen. Die eine Billion m³

Kunst im Bergbau-Museum
Kunst im Bergbau-Museum
Kunst im Bergbau-Museum

Grubenwasser werden aber schon viel schneller erreicht. Was passiert mit der Uhr dann? Das Wasser selbst steigt ja weiter. Und da gibt es ja noch Alternativen zum geheiligtem Kalb Kohle! Die nennen sich „Erneuerbar“! Das wird in einer Wandpräsentation auch dargestellt, aber unmittelbar Argumente nachgelegt, die völlig haltlos sind! Beispiel gefällig? Gerne! Aussage des Museums: Windkraft ist ja ganz schön und so, aber was denn, wenn kein Wind bläst? Dann ist es aber dunkel. ODER: PV auf Äcker? Aber dann wachsen keine Lebensmittel mehr! Jeder Schüler, der freitags zurecht auf die Straße geht, sollte (und viele sind es) in der Lage sein, diese Propaganda mit wenigen Worten zu entkräften: Stromspeicher wäre eines davon. Die werden erwähnt,

aber in einer Größe propagiert, die so groß nun wirklich nicht sein müssen. Ja, wir haben alle Steinkohle genutzt. Genau genommen wurden ganz viele nicht gefragt. „Wirtschaftlich“ war es zu dem Zeitpunkt nicht mehr, als beachtliche Subventionen in die Branche geflossen sind. Trotz aller bekannten umweltfeindlichen Nachteile baute eine ganze Branche auf diese Hilfe, während unsere Regierung heute noch bewusst Solar und Wind boykottiert. Diese Propaganda setzt sich auch noch unter Tage fort. In einem völlig künstlich angelegten Stollen folgt ein Loblied auf die Kumpels, wie schwer sie es (und dann immer leichter hatten) Kohle zu fördern. Mit Stolz erfüllt es den Guide zu erwähnen, dass modernste Technik dazu half, das explosive Grubengas

Unter Tage - Symbolbild
Unter Tage - Symbolbild
Unter Tage - Symbolbild

niemals über 1 % kommen zu lassen und ungenutzt an die Atmosphäre abzublasen. Wie viele Tonnen Methangas wurden so freigesetzt? Dazu konnte niemand Auskunft geben. Auch nicht, warum diese umweltfrevlerische Tatsache bei der Berechnung des CO2-Anteil der Steinkohle keine Berücksichtigung finden. Der geheime Wunsch, dass diese Technik von künftigen Generationen ja wiederbelebt werden könnte, zeigt von der Kenntnis, nichts, aber rein gar nichts über die Geschichte gelernt zu haben. Hoffentlich begreifen dies auch künftige Generationen, wie glücklich die Ruhrgebietler sind, die seit kurzem ihre Wäsche im Vorgarten trocknen können. Auch, dass die Atemluft nicht länger über die Lungenflügel gereinigt werden muss. Und das allgemeine Bedauern der

ach so vielen 35.000 verlorenen Arbeitsstellen. Dem stehen 200.000 in der Solar- und Windbranche entgegen, doch das ist dann eher die Aufgabe eines Energiewende-Museums. Das Bergbau-Museum gab auch auf Anfrage nicht mal eine kleine Antwort auf diese offene Fragen. Dieses großartige Museum ist somit auch selbst Geschichte. Ein Museum, das in das Museum gehört – tragisch schade, was aus einst dem beliebtesten Museum geworden ist. Unser Wohlstand fußt auf die Ausbeutung der Umwelt und den Menschen der Dritten Welt. Lange geht das nicht mehr gut!

Und selbstverständlich ist es mir bewusst: Schuld hat immer nur der, der auf offene Wunden zeigt und niemals die, die an diesen Wunden sich bereicherten und auch morgen noch bereichern. Doch ist es erfreulich, dass die Menschen im Ruhrgebiet was besseres aus der Region machen. Die Route Industriekultur geht weit verantwortungsvoller mit dem Erbe um. Zeche Zollverein (UNESCO-Weltkulturerbe), Trainingsbergwerk Recklinghausen, Landschaftspark Duisburg-Nord, CreativQuartier Fürst Leopold in Dorsten, verschiedene Arbeitersiedlungen u.v.m - unter dem Hashtag #kultruhr zu finden. Glückauf!

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