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Gedanken zu Laurence Sterne

Verantwortlicher Autor: Schura Euller Cook Wien, 21.03.2021, 10:57 Uhr
Kommentar: +++ Kunst, Kultur und Musik +++ Bericht 6489x gelesen

Wien [ENA] Dass auch ein "Anti-Roman" interessant sein kann und von Größen wie Goethe, Nietzsche oder Lessing bewundert wird, beweist Laurence Sternes Roman "Leben und Meinungen des Herrn Tristram Shandy". Nur mit Mühe kann man seinen oft unzusammenhängenden Assoziationen folgen, die sich wie ein endloser Strom von undramatischen, eigenartigen Begebenheiten von Personen wie Onkel Toby oder Pastor Yorick dahin ziehen.

Und doch hat diese Erzählweise etwas erfrischendes, ja etwas erlösendes. Denn gewissermaßen wird der "Lesegier", dieser Sucht nach Anfang und Ende, ein Riegel vorgeschoben. Im Tristram ist das Leben eigentlich banal, alles ist erlaubt und trotzdem geht nichts. So wird im 21.Kapitel ein Satz von Onkel Toby begonnen, der erst im 6.Kapitel des zweiten Bandes fortgesetzt wird und ein wesentlicher Teil des Romans spielt überhaupt vor der Geburt der Hauptfigur Tristram. Es scheint fast so, dass britischer Humor, diese Gelassenheit, die um die Konstruierbarkeit der Literatur weiß, im Tristram Shandy ein nüchternes Gelage mit Brot und Wein feiert. Und doch tut dieses asketische Fastenmahl gut. Die Myriaden schwülstiger Poesie und Prosa verblassen.

Aber Laurence Sternes subtile Paradoxe strafen auch literaturwissenschaftliche Komplexität mit seinem Individualismus. Und trotzdem hat man ihn geliebt und oft über ihn geschmunzelt, denn in seiner absurden sprachlichen Dialektik findet sich kein Moralist, kein Richter und kein Ankläger. Frech und frei und ohne Pretensionen verliert sich seine Sprache in Exzentrik und Banalität. Sterne, der Sohn eines Offiziers, studierte zuerst Theologie in Cambridge und übernahm 1738 eine Pfarrstelle in York, wo er 1759 mit dem "Tristram Shandy" einen Skandal auslöste und daraufhin nach London zog, wo er begeistert aufgenommen wurde. Nietzsche nannte ihn den "freiesten Schriftsteller aller Zeiten" und Virginia Woolf bezeichnete ihn als ihren Lehrmeister.

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